Auf dem Weg zum Club der Zukunft
Hinter einem Fußballverein stecken mehr als 90 Minuten auf dem Platz – das beweist der VfL Bochum 1848. Der Traditionsclub hat Nachhaltigkeit als Unternehmensziel strategisch verankert.
Hinter einem Fußballverein stecken mehr als 90 Minuten auf dem Platz – das beweist der VfL Bochum 1848. Der Traditionsclub hat Nachhaltigkeit als Unternehmensziel strategisch verankert.
Gesellschaftliches Engagement liegt vielen Vereinen in der DNA. Nachhaltigkeit spielte dabei lange Zeit keine Rolle. Doch das Bewusstsein für Klimaschutz kommt allmählich auch in der Bundesliga an. In Bochum hat das Team um Matthias Mühlen Anfang des Jahres eine Nachhaltigkeitsstrategie veröffentlicht. Doch das ist nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum großen Ziel – der nachhaltigen Gesamtstrategie.
"Das Engagement von Fußballvereinen hat sich aus der Tradition heraus immer stark auf die soziale Verantwortung beschränkt", sagt Matthias Mühlen, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit / CSR beim VfL Bochum 1848. "Doch als Fußballclub haben wir eine große Strahlkraft und damit auch die Verantwortung, nachhaltig zu wirtschaften." Die Nachhaltigkeitsstrategie, die der Verein in den vergangenen zwei Jahren in Kooperation mit der Hochschule Bochum erarbeitet hat, umfasst vier Handlungsfelder: Unternehmensführung, Vielfalt, Soziales und Umwelt. Bei der Ausgestaltung der Inhalte, hat der VfL alle Abteilungen einbezogen: "Wir wollten keine Nachhaltigkeitsstrategie, die vorgegeben wird. Wir haben mit Rückendeckung von der Geschäftsführung von Anfang an mit abteilungsübergreifenden Teams gearbeitet und gemeinsam Ziele für die jeweiligen Schwerpunkte entwickelt. Diese wurden dann durch die Geschäftsführung beschlossen", erzählt Mühlen.
Die Zusammenarbeit mit der Hochschule Bochum sei eine große Bereicherung, sagt Mühlen – denn die Hochschule verfügt über ein breites Studien- und Forschungsangebot im Bereich Nachhaltigkeit. "Für uns ist es sehr wichtig, dass unsere Projekte ein wissenschaftliches Fundament haben", erzählt er. Mittlerweile hat seine Abteilung eine feste Stelle für Praktikant*innen geschaffen, die ihre Abschluss- oder Projektarbeiten beim VfL schreiben können. "Das bietet einen riesigen Mehrwert für die Studierenden und für uns." Ende letzten Jahres wurde die seit 2021 bestehende Kooperation um eine Stelle im Bereich Personal und Vielfalt erweitert.
Die Nachhaltigkeitsziele im Vereinsalltag umzusetzen, ist trotz fundiertem Wissen eine Herausforderung. An einem Spieltag reisen mehrere tausend Menschen an, die im Stadion wertvolle Ressourcen wie Lebensmittel, Wasser und Energie verbrauchen. Dem VfL ist es wichtig, auch die Fußballfans auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit mitzunehmen. "Letztlich kann jeder Fan selbst entscheiden, wie er*sie anreist oder welche Wurst er*sie im Stadion isst. Unsere Aufgabe ist es, nachhaltige Alternativen und Anreize zu bieten", so Mühlen. Deshalb verbindet der Verein Spieltage häufig mit sozialen Aktionen. In der vergangenen Saison führte der Club Mehrwegbecher ein und reduzierte so seine Müllmenge. Soziale Kooperationspartner*innen sammeln abwechselnd das Pfand im Stadion ein und können gleichzeitig über ihre Arbeit aufklären.
Außerdem gibt es nun eine vegane Wurstalternative im Stadion, die bei den Fans sehr gut ankommt: "Es gibt im Vorfeld zu solchen Maßnahmen oft hitzige Diskussionen in den sozialen Medien. Aber dann war die neu eingeführte pflanzliche Alternative am Spieltag innerhalb kürzester Zeit ausverkauft – die klassische Bratwurst gibt es natürlich trotzdem", berichtet Mühlen. Generell sei die Fangemeinde sehr heterogen, aber: "Die Wahrnehmung und das Interesse an Nachhaltigkeitsthemen steigen eindeutig. Vor allem jüngere Menschen setzen sich ernsthaft mit diesen Themen auseinander und erwarten von ihrem Club ein soziales und ökologisches Engagement", so Mühlen.
Die Bundesliga und die 2. Bundesliga haben als erste große Profifußball-Ligen eine verbindliche Nachhaltigkeitsrichtlinie in ihrer Lizenzierungsordnung verankert. Seit Saison 2023/24 müssen die Vereine ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltiger arbeiten. Dafür müssen sie Nachhaltigkeitskriterien in den Bereichen Clubführung und -organisation, Umwelt und Ressourcen sowie Anspruchsgruppen erfüllen. So müssen die Vereine etwa eine Nachhaltigkeits- und Umweltstrategie nachweisen oder einen Verhaltenskodex für die Mitarbeitenden nachweisen.
Weil das Engagement der jungen Generation so groß ist, hat der VfL im Mai dieses Jahres den "Beirat Zukunft" gegründet. Mit dem Gremium, das sich aus 13 ehrenamtlichen Mitgliedern der Generation Z zusammensetzt, will der Verein die Bedürfnisse und Wünsche der Jüngeren kennenlernen. "Wenn wir das Geschäftsmodell von morgen entwickeln, brauchen wir die Entscheider*innen von morgen", sagt Mühlen. Dreimal pro Saison trifft sich der Beirat, um Zukunftsthemen zu diskutieren. Darüber hinaus bringt der VfL einzelne Personen je nach Interessengebiet mit seinen Fachabteilungen zusammen. "Es gibt zum Beispiel Mitglieder, die sich besonders für das Thema Fans interessieren, andere begeistern sich für Social Media und Marketing", erzählt Mühlen. "Uns beschäftigen dabei Fragen wie: Wie kommunizieren wir mit Fans? Welche Erwartungshaltung haben junge Menschen? Und: Wollen sie überhaupt noch eine klassische Homepage oder ein gedrucktes Magazin lesen?"
Und wie sieht für Matthias Mühlen der Club der Zukunft aus? "Der Club der Zukunft hat eine nachhaltige Gesamtstrategie, lebt Vielfalt, kommuniziert transparent und steht im engen Austausch mit seinen Stakeholdern und insbesondere den Fans." So zehrt der Verein nicht nur von der Energie seiner Spieler*innen auf dem Platz, sondern auch von der Vision eines nachhaltigen Vereins, an dem ein großes Team – mehr als elf – täglich arbeitet.
Matthias Mühlen hat BWL und General Management studiert und sich schon früh auf nachhaltiges Management fokussiert. Seit 2017 arbeitet Mühlen beim VfL Bochum 1848, seit Juni 2019 leitet er die Abteilung Nachhaltigkeit / CSR. Seine Begeisterung für Fußball reicht weit zurück.
Matthias Mühlen hat BWL und General Management studiert und sich schon früh auf nachhaltiges Management fokussiert. Seit 2017 arbeitet Mühlen beim VfL Bochum 1848, seit Juni 2019 leitet er die Abteilung Nachhaltigkeit / CSR. Seine Begeisterung für Fußball reicht weit zurück.
Bilder: VfL Bochum 1848