Wie genau sieht Ihre Rolle als Digital Change Managerin dabei aus?
Unsere Klink besteht aus 32 Kliniken und 24 Instituten. Normalerweise arbeitet jede Klinik für sich selbst – so wie ein eigenes Schiff mit einem eigenen Kapitän, einer eigenen Mannschaft, eigenen Passagieren und einem eigenen hochspezialisierten Betriebssystem. Ich verwende dieses Bild ganz gern, weil es das Management des Transformationsprozesses ganz gut erklärt.
Wir haben also eine ganze Flotte. Der Vorstand fährt dabei praktisch in einem kleinen Boot voran und gibt den Kurs vor. Und ich springe von Schiff zu Schiff und spreche mit allen dort – mit den Passagieren, den Kapitänen, den Mitarbeitenden im Maschinenraum. Mit diesen Einblicken kann ich den Vorstand beraten und alle miteinander vernetzen. Vor allem die Zusammenarbeit mit der IT und dem medizinischen Sachverstand ist dabei ganz wichtig. Das leben wir wirklich in sehr guter Weise vor: Wir haben einen technischen Direktor der zentralen IT und wir haben einen medizinischen Direktor der zentralen IT. Das heißt, dass sich der Smart-Hospital-Ansatz nicht nur auf eine Person als Brücke zwischen der Medizin und IT begrenzt. Wir versuchen in allen Bereichen Hand in Hand zu arbeiten, damit wir voneinander profitieren.
Aber ich schaue nicht nur auf die Flotte, ich schaue auch nach außen: Wo sind die Inseln, an denen wir neue Versorgungsmittel aufnehmen können? Und wichtig ist auch, was die Politik entscheidet – also welche Strömungen uns als Flotte voranbringen oder welche Untiefen wir lieber umfahren? Dass wir als Konzern gemeinsam fahren, das zeichnet uns aus.
Inwiefern hat sich dieser Ansatz im Rahmen der Corona-Pandemie bewährt?
Es hilft uns schon. Die zentrale Notaufnahme ist beispielsweise komplett papierlos und arbeitet ausschließlich elektrisch. Dort ist auch der separate infektiologische Zugang für Patient*innen mit Verdacht auf Covid-19 angegliedert. Die Informationen über sie sind dadurch hinterher abrufbar, das ist schon super. Ein weiterer Pluspunkt ist das digitale Patientenportal. Wer mit einer Covid-19-Erkrankung zu uns kommt, der kann sich die Anwendung herunterladen und bleibt dadurch auch hinterher an uns angebunden – sie können Fragebögen zu ihren möglichen infektiologischen Symptomen oder dem allgemeinen Empfinden zu Hause eingeben.
Auch die Psyche ist dabei berücksichtigt, denn wenn es in die Quarantäne geht, dann spielen ja auch Sorgen und Nöte eine Rolle. Dazu gibt es einen Fragebogen oder auch Informationsangebote zum Beispiel zum Umgang mit Stress oder zur Achtsamkeit. Sie können einen Chat nutzen, um mit uns zu sprechen. Wir sind auch sehr gut in Essen vernetzt, wir haben ebenso Angebote der Gesundheitsämter darin wie auch vom Landschaftsverband Rheinland, der hier die Psychiatrie und eine große Klinik für Psychosomatik hat, deren Angebote ebenfalls in die App aufgenommen wurden.
Gleichzeitig können Patient*innen ein medizinisches Tagebuch mit Fieberverlauf in der App führen. Wenn sie also wieder zu uns kommen sollten, können wir all diese Informationen in die elektronische Patientenakte überspielen und haben dann einen Überblick über den gesamten Verlauf. Dazu gibt es in der App Verlinkungen zum Robert-Koch-Institut, zur Weltgesundheitsorganisation und zum Medieninformationsangebot der Stadtbibliothek in Essen: Dort können sie Zeitschriften lesen oder Hörbücher runterladen. Denn wer nicht so schwer erkrankt ist, für den spielt in der Quarantäne auch Entertainment eine Rolle.
Dieses Angebot würden wir gern in den nächsten Monaten und Jahren auch an andere Krankheitsbilder ausweiten. Es hat uns natürlich geholfen, dass wir an diesem Portal schon seit über einem Jahr herumkonfigurieren. So konnten wir jetzt sagen, wir bieten das sofort für die Corona-Patient*innen an. Die Firmen und Start-ups, die daran beteiligt waren, haben das sofort umgesetzt, weil auch sie schnell helfen wollten.
Stichwort Start-ups: Inwiefern profitieren Sie von einer Vernetzung innerhalb des Ruhrgebiets?
Das Ruhrgebiet ist mit über fünf Millionen Einwohnern ja wirklich der dichteste Ballungsraum in ganz Europa. Wir sind die größte Universitätsklinik hier in der Region und haben dadurch eine Vorreiterrolle. Wir sind hier extrem gut vernetzt über verschiedene Institutionen wie den Regionalverband Ruhr, den RuhrSummit, die Gründerwerkstatt oder die neue Initiative Digitale Medizin Ruhr. Wir arbeiten sehr offen miteinander zusammen.
Was die Start-ups betrifft, können wir uns an der UME vorstellen, dass die Beziehungen noch intensiver werden. Der Plan zum Jahreswechsel letztes Jahr war eigentlich, dass wir Start-ups ermöglichen wollten, unser Krankenhaus verstehen zu lernen, indem sie uns über die Schulter schauen können, soweit das im Rahmen vom Datenschutz möglich ist. Diese engere Zusammenarbeit ist schon wichtig, um für das besondere Umfeld im Krankenhaus ein Gefühl zu entwickeln. Die empathische Beziehung ist der Kern des Ganzen. Jemand, der beispielsweise OP-Technik entwickelt, sollte auch mal ein paar Tage im OP gestanden haben. Das wollten wir ermöglichen, konnten es aber leider erst einmal nicht weiter vertiefen, weil die Pandemie uns dazwischenkam und wir natürlich andere Aufgaben priorisieren mussten.
Wie bewerten Sie die Digital-Health-Szene im Ruhrgebiet?
Wir haben extrem gute Unternehmen hier vor Ort und sind als Uniklinikum auch Teil verschiedener Verbände, wie etwa der Digital Campus Zollverein. Die Vernetzung dabei ist sehr wichtig. Denn die Stärken von anderen zu kennen, kann dazu führen, dass man zusammen an einem Projekt arbeitet. Es ist schon ein Vorteil des Ballungsraums, dass die Wege sehr kurz sind. Und auch aus unserer Krankenhaus-Sicht ist es wichtig, dass wir so viele Krankenhäuser und auch so viele niedergelassene Ärzt*innen hier vor Ort haben. Ich glaube, das müssen wir in Zukunft noch viel mehr nutzen – dass eben die Krankenhäuser sich nicht nur als Wirtschaftsunternehmen sehen, sondern auch sagen: Wir machen eine übergreifende Kooperation, arbeiten übergreifend zusammen. Das haben wir auch mit der Initiative Digitale Medizin Ruhr hier schon sehr gut auf den Weg gebracht.
Auch wenn wir hier die größte Klinik sind, gibt es natürlich viele Kliniken, mit denen wir zusammenarbeiten können und da hilft natürlich auch das Netzwerken und da erlebe ich das schon so, dass – im Gegensatz zu früher – die Leute offener sind und bereit sind, auch die Partikularinteressen zurückzustecken. Sie haben erkannt, dass man auch Entwicklungspartnerschaften auf einer größeren Skala eingehen muss, damit alle davon profitieren können.