Wieso ist die transdisziplinäre Arbeit für Ihre Forschung wichtig?
Bei uns ist transdisziplinäre Arbeit Programm, weil wir grundlegend davon ausgehen, dass weder eine Verwaltung noch eine Wissenschaft oder eine Bürgerin oder ein Bürger allein große Transformationen oder Innovationen entwickeln oder anstoßen können. Für die Energiewende würde es zum Beispiel wenig Sinn ergeben, simpel Regulierungen zu verordnen, zum Beispiel für den Gasverbrauch. Da braucht es verschiedene Akteurinnen und Akteure, die gemeinsam an übergreifenden Konzepten arbeiten. Das schafft nicht nur Akzeptanz und Verständnis auf allen Ebenen, sondern fördert auch den Wissensaustausch, von dem am Ende alle profitieren. Nur mit einem solchen verknüpften und übergreifenden Verständnis ist es möglich, auch die großen Herausforderungen, wie zum Beispiel den Klimawandel oder die digitale Transformation, zu meistern. Ein gutes Beispiel für eine enge Zusammenarbeit mit allen Vertreterinnen und Vertretern einer Stadt ist das Projekt iResilience in Dortmund, bei dem es um den Klimaschutz geht.
Was macht die wissenschaftliche Arbeit im Ruhrgebiet für Sie aus?
Ich merke das immer wieder in der Projektarbeit mit den verschiedenen Vertreterinnen und Vertretern: Die Menschen hier sind sehr direkt. Außerdem arbeiten hier alle Hand in Hand, und das in einer sehr starken Anpack-Mentalität. Früher, als hier noch Kohle abgebaut wurde, war es egal, wo die Arbeiter herkommen, ob sie aus Polen, der Türkei oder eben Deutschland sind. Und das zeigt sich auch heute noch. Hier packt man zusammen an, weil man etwas zusammen bewegen will. Auch diese kooperative Kultur, diese Gemeinschafts- und Gemeinwohlidee, die ist stark vertreten, die spielt hier eine Rolle. Und das passt ja wiederum zum Gedanken, den wir bei unserer sozialen Innovation als Praktik verfolgen.
Wie schätzen Sie die Zukunft des Ruhrgebiets ein, und zwar in Bezug auf den Verlauf der (verschiedenen) Transformation(en)?
Das Ruhrgebiet wurde in den vergangenen Jahrzehnten von Umbruchprozessen geprägt. Wenn der angesprochene Konsens hier eine Orientierung für Wirtschaft, Bevölkerung, Wissenschaft und Politik vorgibt, dann sollte diese Transformation für ein lebenswertes Ruhrgebiet gelingen. Die besondere Herausforderung liegt darin, benachteiligte Bevölkerungsgruppen nicht zu vergessen, sondern differenzierte Lösungen zu schaffen, von denen alle profitieren. Das ist das Spannende und gleichzeitig das Potenzial des Ruhrgebietes.